Textauszüge

 

Was bedeutet „Nebennierenunterfunktion“?

Der Begriff Nebennierenunterfunktion ist bisher in Deutschland nicht geläufig. In den letzten Jahren wurde für die in diesem Buch beschriebenen Gesundheitsstörungen im englischsprachigen Raum die Bezeichnung „adrenal fatigue“ verwendet. „Adrenal fatigue“ stammt aus der Fachliteratur und bedeutet „Nebennierenerschöpfung“ oder „Nebennierenschwäche“.

Die Nebennieren sind etwa traubengroße Organe, die sich jeweils auf dem oberen Pol der beiden Nieren befinden. Dort wird das Kortisol gebildet, ohne das der Mensch nicht lebensfähig wäre. Sind die Nebennieren nicht mehr in der Lage, genügend Kortisol zu produzieren, dann treten Krankheitserscheinungen auf. Darum geht es in diesem Buch.

Kortisol beeinflusst die wichtigsten Stoffwechselvorgänge, der Kohlenhydrat- und Fettstoffwechsel, die Energiegewinnung aus Aminosäuren, die Fettverteilung und die Blutzuckerregulation gehören dazu. Kortisol verringert auch Entzündungsprozesse und Allergien.

Umfragen in den USA haben ergeben, dass bis zu 50 % der erwachsenen Amerikaner wenigstens einmal in ihrem Leben an einer Erschöpfung der Nebennieren leiden; nur selten wird dies aber als Störung der Nebennieren erkannt, weil das Wissen über leichte bis mittelschwere Funktionseinschränkungen der Nebennieren nicht zum Basiswissen der Ärzte gehört. Für Deutschland dürften ähnliche Zahlen zutreffen.

Die Nebennieren produzieren normalerweise die winzigen Mengen an Kortisol, die vom Körper benötigt werden. Der Bedarf kann dabei allerdings sehr stark schwanken. Deshalb müssen die Nebennieren in der Lage sein, in kurzer Zeit ein Vielfaches der Menge, die im Normalzustand benötigt wird, in die Blutbahn abzugeben.

Den Extremzustand, nämlich den Totalausfall der Nebennieren, die Nebenniereninsuffizienz, hat 1855 erstmals Thomas Addison beschrieben. Nach ihm wird dieser Zustand Morbus Addison genannt. Diese Erkrankung ist glücklicherweise sehr selten. Es wird geschätzt, dass etwa 5 von 100 000 Menschen an dieser Erkrankung leiden.

Bei einer Störung der Nebennierenfunktion steht die chronische Erschöpfung ganz im Vordergrund. Im letzten Jahrhundert wurde dieser Zustand auch als Neurasthenie und im angloamerikanischen Sprachraum auch als „Non-Addison’s hypoadrenia“ bezeichnet.

Eine Nebennierenunterfunktion zeigt sich normalerweise in einer Ansammlung von Symptomen, dies wird dann auch als „Syndrom“ bezeichnet. Die Patienten sehen auf den ersten Blick nicht krank aus, sie fühlen sich aber nicht wohl. Sie trinken viel Kaffee oder Cola, um wach und leistungsfähig zu sein. Sie haben oft niedrige Blutzuckerspiegel. Sie leiden häufig an Allergien, Gelenkschmerzen und sind anfällig für Infekte. Frauen haben häufig prämenstruelle Beschwerden. Auch werden vermehrt psychische Beschwerden beobachtet, ebenso Ängste, Panik und Depressionen. Gleichzeitig treten Konzentrationsstörungen und eine verminderte Gedächtnisleistung auf. Auch Schlafstörungen sind häufiger als bei gesunden Menschen.

 

Wodurch entsteht eine Nebennierenunterfunktion?

Eine Nebennierenunterfunktion entsteht durch Stress. Wiederkehrende oder chronische Infektionen, psychische Belastungen wie der Verlust eines geliebten Menschen, Enttäuschungen am Arbeitsplatz, ein Unfall oder eine einseitige, vitaminarme Ernährung – der Körper reagiert immer gleich und erhöht umgehend die Kortisolmenge im Blutkreislauf. Verschiedene Stressfaktoren summieren sich dabei. Der Körper ist allerdings nicht in der Lage, beliebig große Mengen an Kortisol zu bilden. Irgendwann ist ein Maximum erreicht.

Eine Nebennierenunterfunktion tritt dann ein, wenn die Kompensationsmöglichkeiten des Körpers aufgebraucht sind. Das heißt, wenn die gebildete Kortisonmenge den Bedarf des Körpers an Kortisol nicht mehr abdecken kann. Manchmal sind die Ursachen zunächst nicht erkennbar. So haben Untersuchungen bei Krankenschwestern gezeigt, dass der Kortisolspiegel im Blut extrem erhöht war. Sie gaben aber an, gar nicht unter Stress zu stehen. Der Körper registriert ständig die Stressbelastung und versucht darauf, eine Anpassung der notwendigen Kortisolmenge vorzunehmen. Gelingt dies nicht mehr, dann beginnt die Nebennierenunterfunktion. Es fängt oft mit Infektionen der Atemwege an, wie eine Nasennebenhöhlenentzündung oder eine Bronchitis, eine Lungenentzündung oder Asthma bronchiale. Kommen dann noch weitere Faktoren hinzu wie ein stressiger Beruf oder eine unglückliche Partnerschaft, dann beginnen die Nebennieren, sich zunehmend zu erschöpfen.

Wer bekommt eine Nebennierenunterfunktion?

Menschen, die nicht genügend Ruhepausen einhalten, ständig „unter Strom“ stehen, nie zufrieden mit dem Erreichten sind und alles perfekt machen wollen, leben in großer Gefahr, an einer Nebennierenunterfunktion zu erkranken: Menschen in jedem Lebensalter und aus allen Kulturkreisen, jeder kann erkranken. Der Politiker, der Student, der Umweltaktivist, der Bauer, der Polizist, der Industriearbeiter oder der Aufsichtsratvorsitzende einer Bank. Sowohl ein Arzt im Krankenhaus oder in der Praxis als auch eine Mutter mit mehr als einem Kind können betroffen sein. Es gibt Berufe oder Tätigkeiten, bei denen Menschen ein höheres Risiko haben zu erkranken. Ärzte sind zum Beispiel stärker betroffen als die Allgemeinbevölkerung: Überstunden und Nachtarbeit können zu Scheidung und Isolation führen. Schichtarbeiter haben ebenfalls häufiger Probleme, weil sich der Rhythmus ständig ändert und dadurch die Anpassung der Nebennieren häufig nicht nachkommt.

Man spricht vom „Sandwich-Stress“, wenn Menschen „dazwischenstehen“. Sie müssen es aushalten, wenn Dinge im Beruf schief laufen, ohne dass sie etwas daran ändern können. Sie bekommen meist aber auch kein Lob, wenn alles klappt. Begleitend kommt hinzu, dass diese Menschen oft übergewichtig sind und ihre Fett- und Blutzuckerspiegel erhöht sind, ebenso ihr Blutdruck.

Risikofaktoren für eine Nebennierenunterfunktion

– Schlafmangel
– spätes Zubettgehen
– Fast Food
– große Mengen an Kaffee und Cola
– Perfektionismus
– ständige Unzufriedenheit mit der eigenen Lebenssituation
– hohe Arbeitsbelastung